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Uhrenteile im Fokus: Die Unruh

Von Chrono24
18. März 2025
5 Minuten
Audemars Piguet Royal Oak Double Balance Wheel Openworked close (1) (1)

Uhrenteile im Fokus: Die Unruh

Heute scheint es uns selbstverständlich, dass wir unsere Uhren am Handgelenk mit uns herumtragen und die Uhrzeit immer genauestens ablesen können. Doch bis es soweit war, musste die bestehende Mechanik großer Standuhren immer weiter verfeinert werden. Wir führen Sie durch einige spannende Momente der Uhrengeschichte und geben Ihnen einen Einblick in die Entstehung und Funktionsweise der Unruh.

    Was ist die Unruh einer Uhr?

    Die Unruh ist ein fein gearbeitetes Rädchen, das Teil des Unruh-Spirale-Schwingsystems ist und als Gangregler vor allem in Armband- und Taschenuhren Verwendung findet. Dieses filigrane, kompakte mechanische System sorgt für den richtigen Takt und die Präzision unserer Uhren und wird aufgrund seiner wichtigen Funktion oft auch als Herz der Uhr bezeichnet. Die Unruh schwingt mit einer bestimmten Frequenz (Schwingungsdauer) und sorgt zusammen mit der Hemmung für das partielle Stoppen und Freigeben des Räderwerks im Inneren der Uhr. Diese weitgehend lageunabhängige Bewegung wird anhand der Uhrzeiger angezeigt, die mit dem Räderwerk verbunden sind.

     

    Technische Entwicklungen für mehr Präzision

    Die größte Herausforderung bei der Verbreitung und Etablierung der Uhr war die Garantie ihrer Ganggenauigkeit. Turm- und Standuhren hatten durch ihre Hemmung in Form eines Pendels bereits eine gewisse Zuverlässigkeit in der Einteilung der Zeit erreicht. Das sogenannte Pendelgesetz geht dabei auf Galileo Galilei zurück, der festlegte, dass die Dauer der Schwingung eines Pendels durch seine Länge bestimmt wird. So beträgt die Schwingdauer eines etwa einen Meter langen Pendels eine Sekunde.

    Mit der Ganggenauigkeit der Uhr wurde es jedoch schwieriger, sobald man unterwegs war. Die Technik der großen Uhrwerke ließ sich nämlich nicht ohne Weiteres auf ihre handlicheren Verwandten, die Taschenuhren, übertragen. Eine der ersten tragbaren Uhren wurde schließlich von Peter Henlein, einem Schlossermeister und Uhrmacher aus dem 15. Jahrhundert, in Nürnberg hergestellt. Dafür verwendete er sogenannte Torsionspendel, die durch einen Stab mit zwei Gewichten eine Kreisbewegung vollführen und ihre Energie an eine Feder abgeben. Obwohl die Uhren durch das Torsionspendel zwar erheblich verkleinert werden konnten, waren sie beim Tragen noch sehr anfällig für Fehlfunktionen.

    Diese Problematik wurde erst im 17. Jahrhundert durch den Austausch zweier Männer gelöst. Jean de Hautefeuille, ein französischer Priester und Erfinder, und Christiaan Huygens, ein niederländischer Astronom und Mathematiker, tauschten sich über die Möglichkeit aus, den Mechanismus zur Gangregelung durch die Entwicklung der Unruh mit einer Spiralfeder zu verbessern. Huygens baute den Mechanismus und erhielt dafür im Jahr 1675 ein französisches Patent. Das Prinzip, wenn auch immer weiter verbessert, findet bis heute in Taschen- und Armbanduhren Verwendung.

    Aufbau des Unruh-Schwingsystems

    Die Unruh einer Taschenuhr mit Handaufzug
    Die Unruh einer Taschenuhr mit Handaufzug

    Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei der Unruh nicht um ein einzelnes Stück, sondern um mehrere feine Einzelteile, die das Schwingsystem einer Uhr bilden. Zum Unruh-Spirale-Schwingsystem zählt unter anderem der Unruhreif, ein dünnes Rädchen, in dem die Spiralfeder eingebaut ist. Diese Feder trägt auch die Bezeichnung Flachspirale und ist eine der Erfindungen, die auf Huygens zurückgehen. Eine weitere Form der Spiralfeder findet sich in Rolex-Uhren, die auf einen der einflussreichsten Uhrmacher der Geschichte zurückgehen: den berühmten Konstrukteur Abraham-Louis Breguet. Die von ihm erfundene Spirale zeichnet sich durch eine bessere Ganggenauigkeit aus. Sie ist jedoch auch aufwendiger in der Herstellung, weswegen sich weitestgehend die Flachspirale von Huygens durchgesetzt hat. Damit die Spiralfeder ihren vorgegebenen Gang einhält, wird sie durch die sogenannten Rücker reguliert. Unruhreif und Spirale liegen auf der Unruhwelle, dem vierten Bestandteil des Unruh-Schwingsystems. Dieses filigrane Stäbchen ist nur etwas dicker als ein menschliches Haar und damit sehr anfällig für Brüche. Damit es Stößen besser standhält, wurden einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Die Enden der Welle, die sogenannten Zapfen, sind wie Trompeten geformt und verhindern durch diese Keilform eine mögliche Bruchstelle. Diese Zapfen liegen wiederum in der Stoßsicherung und sind zwischen synthetischen Rubinen (Korunden) gelagert. Die Stoßsicherung sorgt dafür, dass das Ende der Unruhwelle bei vertikalen oder horizontalen Stößen genügend Spielraum hat, um sich zu verschieben, dabei allerdings so eingefasst ist, dass es nicht an andere Bestandteile anstößt.

    Eine weitere Verbesserung der Ganggenauigkeit der Unruh findet bei ihrer Einbettung in ein Tourbillon statt. Dieses gleicht die möglichen Einflüsse der Schwerkraft aus, indem es sie gleichmäßig auf Unruh und Spiralfeder verteilt.

    Uhren mit offener Unruh

    Da es sich bei der Unruh um ein so bedeutendes Teil im Uhrwerk handelt, geben ihr einige Uhrenhersteller in Form einer offenen Unruh eine eigene Bühne. Bei einer Armbanduhr mit offener Unruh kann der Betrachter nicht nur die aktuelle Uhrzeit ablesen, sondern auch das Herzstück seiner Uhr bei der Arbeit betrachten. Bei einer solchen Uhr befindet sich eine Aussparung im Zifferblatt, die den Blick auf die Unruh freigibt. Sind größere Teile des Uhrwerks oder sogar das gesamte Innere der Uhr sichtbar, spricht man hingegen von einer skelettierten Uhr.

    Hamilton Jazzmaster Open Heart (Ref. H32705141)
    Hamilton Jazzmaster Open Heart (Ref. H32705141)

    Mit dem aufkommenden Wunsch einiger Uhrenfans, einen Einblick ins arbeitende Uhrwerk zu erhalten, entstanden in den 1970ern die ersten Uhren mit offener Unruh. Zwar sind Modelle mit sichtbaren Uhrwerk-Komponenten meist noch zeitaufwändiger in der Herstellung als herkömmliche Armbanduhren, dies muss sich aber nicht zwangsläufig auch in einem höheren Preis widerspiegeln. Die folgenden Automatik-Uhren mit einer offenen Unruh verdeutlichen, wie unterschiedlich die Preise für solche Modelle ausfallen können: Während die Jaeger-LeCoultre Master Grande Tradition (Ref. 5082420) auf Chrono24 aktuell rund 50.000 EUR kostet, bieten Modelle wie die Baume & Mercier Clifton (Ref. 10448) ab rund 3.000 EUR und die Hamilton Jazzmaster Open Heart (Ref. H32705141) ab 900 EUR vergleichsweise günstige Preise und einen ebenso faszinierenden Blick auf das Uhrwerk mit Unruh im Inneren der Uhr.

     

    Ein mechanisches Kunstwerk: Die doppelte Unruh

    In der Luxusuhrenbranche gibt es Hersteller, die immer noch einen drauf setzen müssen. So hat man bei Audemars Piguet beispielsweise das Unruh-Schwingsystem auf ein neues Level gehoben und eine Uhr mit zwei Unruhen kreiert: die Royal Oak Audemars Piguet Royal Oak Double Balance Wheel Openworked. Dank des transparenten Gehäusebodens lässt sich die doppelte Unruh bei dieser skelettierten Armbanduhr sogar gleich von beiden Seiten beobachten. Die Ingenieure haben bei diesem Modell eine zweite Unruh und eine zweite Spiralfeder an derselben Achse angebracht und somit die Präzision noch weiter verbessert. Diese Anordnung ist als „Dualbalance“ patentiert und stellt wieder einmal das Können der Manufaktur unter Beweis.

    Audemars Piguet Royal Oak Double Balance Wheel Openworked
    Audemars Piguet Royal Oak Double Balance Wheel Openworked

    Fingerspitzengefühl bei der Montage

    Wer sich für den Kauf einer besonderen Uhr entscheidet, der erwartet einen zuverlässigen Zeitmesser mit einer hohen Ganggenauigkeit. Heutzutage und insbesondere nach dem Aufkommen der Quarzuhren können sich Hersteller mechanischer Uhren dadurch hervortun, dass ihre Luxusuhren durch das Fachverständnis der Uhrmacher und Uhrmacherinnen auch ohne den Einsatz von Batterien mit höchster Präzision laufen. Ein wichtiger Arbeitsschritt, der insbesondere die Unruh betrifft, ist in diesem Zusammenhang die Reglage.

    Wie wird die Unruh einer Uhr eingestellt?

    Als Reglage bezeichnet man die Vorgänge zur Feinregulierung einer Uhr. Die Zeitmesser sollen unabhängig von ihrer Lage oder der Außentemperatur über einen gleichmäßigen Gang verfügen. So wird die Frequenz der Unruh durch das Biegen, Verlängern oder Kürzen der Spiralfeder angepasst. Während der Montage nutzen die Uhrmacher eine Zeitwaage, um die Schwingungen des Uhrwerks zu messen und darzustellen. Anhand dieser Werte lässt sich erkennen, ob die Feder richtig eingesetzt wurde, ob sie erweitert werden oder Material entnommen werden muss. Dieser Vorgang wird sowohl bei der Herstellung von Unruh und Spiralfeder als auch am Ende der Konstruktion durchgeführt.

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