Einer der großen Vorzüge der Arbeit als Uhrenjournalist ist, dass man Uhrenmanufakturen in aller Welt besuchen darf – von den Montagebänken, an denen die fertigen Einzelteile zusammengesetzt werden, bis tief ins Innere der Fertigung, wo alles mit der Bearbeitung der Messingstäbe beginnt, aus denen die Platinen der Uhrwerke gefertigt werden.
An wieder anderen Arbeitplätzen wird das Werk ins Gehäuse eingesetzt, das Zifferblatt angebracht und die Zeiger befestigt – alles in Handarbeit. Mit ein paar Drehungen an der Krone wird das Uhrwerk in Gang gesetzt und geprüft, dass sich die Zeiger frei bewegen, ohne sich zu berühren. Die Qualitätskontrolle erfolgt (immer noch) vor allem mittels Sichtprüfung. Ist ein Gehäuse beschädigt oder hat das Armband einen Kratzer, wird die Uhr bzw. das Armband sofort in die entsprechende Werkstatt gebracht, wo das Problem mit der Poliermaschine behoben wird. Eine der spannendsten Abteilungen ist aber die, in der die Wasserdichtigkeit und Stoßfestigkeit getestet werden. Die Werkzeuge und Gerätschaften, mit denen die Uhren in nur wenigen Minuten so stark beansprucht werden, als wären sie zehn Jahre lang getragen worden, sind beeindruckend.
Nur wenige Uhrenmanufakturen gewähren Besuchern Zutritt zu der Abteilung, in der die Werke hergestellt werden – nicht die, in der die Montage erfolgt, sondern die, in der tatsächlich die einzelnen Bauteile produziert werden. Hier bleiben die meisten Türen verschlossen. Schließlich wollen nicht alle Uhrenhersteller ihre Geheimnisse und Produktionsverfahren preisgeben.
Diejenigen, die so gut wie nichts zu verbergen haben und nur eine oder zwei Türen nicht öffnen, zeigen einem jedes kleine Detail von Anfang bis Ende (also bis zur perfekten verkaufsbereiten Uhr). Diese Hersteller hinterlassen beim Besucher den stärksten Eindruck. Bei einem solchen Besuch erhält man faszinierende Einblicke in die Fertigung der kostbaren mechanischen Zeitmesser.
Manche Marken sind gerne bereit, vom Reißbrett bis zum fertigen Produkt alles zu zeigen, auch wenn sie viele Komponenten gar nicht selbst herstellen. Das bedeutet keinesfalls, dass diese Uhren minderwertig sind oder der Hersteller nicht ernst zu nehmen ist, ganz im Gegenteil. Uhrenhersteller arbeiten fast ausnahmslos mit mehreren Zulieferern zusammen. Sie haben Lieferanten für die Zifferblätter, Zeiger, Gläser, Gehäuse, Armbänder, Werke (bzw. deren Teile) und so weiter. Was eine Marke interessant macht oder sie zumindest aus der Masse hervorhebt, ist die Originalität und Handwerkskunst dieser Zulieferer und natürlich die Arbeit, die der Hersteller selbst einbringt, wie z. B. die Fertigstellung des Gehäuses und der Uhrwerkteile, die Regulierung der Ganggenauigkeit und viele weitere kleine Schritte bis das mechanische Kunstwerk fertiggestellt ist. Eine Aussage trifft hier in besonderer Weise zu: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Viele Marken nehmen uns gerne mit auf diese Reise, andere lieber nicht.
Für die breite Masse sind solche Besuche in Uhrenmanufakturen schwieriger zu organisieren. Nicht alle Hersteller können Führungen anbieten. Bedenken Sie, dass dafür Kapazitäten freigemacht werden müssen und die Uhrmacher bei ihrer Arbeit „behelligt“ werden. Manche Unternehmen bieten jedoch von Zeit zu Zeit ihrem Händlernetzwerk an, einige ihrer Kunden zu einer Besichtigung der Manufaktur einzuladen. Es ist eines dieser besonderen Angebote, die Einzelhändler ihren (besten) Kunden hin und wieder machen können.
Ist ein Hersteller nicht in der Lage – oder einfach nicht bereit – seine Pforten für Uhrenliebhaber zu öffnen, kann ein Museum eine gute Alternative sein. Unternehmen wie Patek Philippe, Longines, TAG Heuer, IWC und Omega haben beispielsweise ganz wunderbare Museen, die Sie besuchen können, um mehr über die Marke und ihre Uhren zu erfahren. Der Museumskurator wird Sie gerne herumführen und Ihnen alles über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Uhrmacherei erzählen. Ein Museumsbesuch mag sich für manche von Ihnen langweilig anhören. Doch Sie können dabei vieles über die Uhrenherstellung lernen, und Sie werden sehen, dass – mit Ausnahme der verwendeten Maschinen und der CAD-Systeme für das Uhrendesign – sich das Handwerk und Know-how im Laufe der Jahre gar nicht so sehr verändert haben.
Wenn Sie sich für einen Besuch bei Ihrem Lieblingshersteller interessieren, schauen Sie auf dessen Webseite nach, welche Möglichkeiten es gibt.