12/25/2019
 6 Minuten

Uhren mit Zeitgleichung: Wie sie funktionieren und 3 herausragende Modelle

Von Tomas Renner
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Uhren mit Zeitgleichung: Wie sie funktionieren und 3 herausragende Modelle

Eine Komplikation, die zu den weniger alltäglichen gehört, ist die Zeitgleichung. Diese gibt die Differenz zwischen der Sonnenzeit und der Normalzeit an. Aber was genau ist eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden Zeitangaben und wie wird die Komplikation realisiert? Einige sehr schöne und komplizierte Luxusuhren zeigen die Sonnenzeit – drei davon möchte ich Ihnen näher vorstellen.

Unser 24-Stunden-System: Sonnentage und Zeitgleichung

Das, was wir gemeinhin als Normalzeit bezeichnen, ist die mittlere gerundete Sonnenzeit. Die wahre Sonnenzeit bemisst sich vom Höchststand der Sonne an einem Tag zum nächsten – das ist ein wahrer Sonnentag. Über das Jahr gesehen, beträgt dieser im Mittel fast 24 Stunden. Die wahre Sonnenzeit weicht davon ab – außer heute, am 25. Dezember, sowie am 13. April, 13. Juni und 1. September, da steht die Sonne mittags im Zenit. Die größten Abweichungen gibt es mit ca. einer Viertelstunde am 11. Februar und am 3. November eines jeden Jahres.

Grundlage für unsere Zeitmessung ist ein Sonnentag, also die Zeitspanne, die die Erde zur Drehung um sich selbst, bezogen auf die Sonne braucht. In der Normalzeit sind das 24 Stunden. Halt, nicht ganz: Wir wissen, dass es nur 23 Stunden, 56 Minuten und ein paar Sekunden sind. Das kompensieren wir in unserem Kalendersystem mit einem Zusatztag in den Schaltjahren.

Doch auch über das Jahr verteilt sind 23 Stunden und 56 Minuten oder 24 Stunden Tageslänge nur ein Mittelwert. Die Länge der Sonnentage variiert bis zu einer Viertelstunde im Februar und im November aufgrund der geneigten Rotationsachse der Erde und ihrer unterschiedlichen Bahngeschwindigkeit auf der elliptischen Bahn um die Sonne. Sonnenuhren bilden die tatsächliche Sonnenzeit nach dem Stand der Sonne ab – wenn sie scheint. Mit der Erfindung von Räderuhren, die auch im Schatten arbeiten, griffen Uhrmacher auf das 24-Stunden-Zeitsystem mit den Zonenzeiten zurück. Mit einfachen Werken ließ sich die Sonnenzeit aber nicht abbilden.

Einfach ausgedrückt: Wenn es bei Ihnen in Berlin nach der wahren Sonnenzeit 12 Uhr ist, steht die Sonne am höchsten Punkt. Manchmal ist es nach unserem normalisierten 24-Stunden-System schon 12:07 Uhr, manchmal erst 11:56 Uhr.

Zeitgleichung in der Uhrmacherei

Die unterschiedliche Länge von Sonnentagen fiel bereits griechischen Astronomen und Mathematikern in der Antike auf. Sie ersannen deshalb eine Formel, um diese Schwankungen zu berechnen. So konnten sie den exakten Sonnenauf- und -untergang bestimmen.

Diese Berechnungen ermöglichen es den Ingenieuren in der Uhrmacherei bis heute, Uhren mit einer Zeitgleichungs-Komplikation zu erschaffen. Umgesetzt wird das zum Beispiel mit einer parabelförmigen Scheibe, die an die Normalzeit gekoppelt ist.

Die Parabel für die Abweichung der Sonnenzeit von der Normalzeit (Grafik oben) wird z.B. mit einem gleichförmigen Bauteil im Uhrwerk umgesetzt (Grafik unten).

Die Anzeige ist bei manchen Uhren mit einem zweiten Minutenzeiger ablesbar, z.B. bei der Audemars Piguet Jules Audemars Equation of Time. Andere besitzen eine Skala, die die Abweichung von der Normalzeit darstellt, wie die Panerai Luminor GMT Equation of Time. Manche Komplikationen verfügen sogar über eine Anzeige des Sonnenauf- und -untergangs an einem bestimmten Ort und liefern je nach Auslieferungsort verschiedene Scheiben mit.

 

Audemars Piguet Jules Audemars Equation of Time

Audemars Piguet Jules Audemars Equation of Time
Audemars Piguet Jules Audemars Equation of Time

Die Audemars Piguet Jules Audemars Equation of Time ist ein Meisterwerk der Haute Horlogerie und ein Schmuckstück dazu.

Das Automatikkaliber AP 2120/2808 bietet eine astronomische Mondphase, einen Ewigen Kalender, die Zeitgleichung und eine Anzeige von Sonnenauf- und -untergang für einen bestimmten Längengrad an. Das Werk hat trotz dieser Komplikationen eine Höhe von nur 5,3 mm und eine Gangautonomie von 40 Stunden. Jedes der 425 Teile ist aufwendig von Hand verziert. Der Sichtboden aus Saphirglas gibt den Blick auf das äußerst schmucke Werk frei.

Das Gehäuse misst 43 mm im Durchmesser und trotz der Vielzahl an Komplikationen nur 14 mm in der Höhe. Es ist in Gelbgold, Weißgold und Roségold mit jeweils 18 Karat verfügbar. Das Original kommt mit einem schwarzen Krokodillederarmband. Das Zifferblatt ist silbrig weiß, die Roségold-Variante gibt es auch mit schwarzem Zifferblatt.

Die Uhr verfügt über zwei Zeiger, die an römischen Ziffern die Normalzeit in Stunden und Minuten anzeigen. Die Sonnenzeit lesen Sie über einen zentralen Zeiger mit einer Sonne an der Spitze auf einer Minutenskala ab. Diese befindet sich am Rand des Zifferblatts zwischen der 4- und der 10-Uhr-Position. Hier ist ebenfalls der Name der Stadt eingraviert, auf deren Längengrad die Uhr für die Zeitgleichung geeicht ist. Sonnenauf- und -untergang für diesen Ort können Sie auf zwei Hilfszifferblättern auf der 9- und 3-Uhr-Position ablesen. Hier zeigen kleine Stunden- und Minutenzeiger den Zeitpunkt in römischen Ziffern an.

Die Anzeigen werden über spezielle Steuernocken für nahezu jeden Ort der Erde realisiert. Der Hersteller fertigt auf Wunsch auch geeichte Lünetten und Steuernockensätze neu. Sie können also auch preloved Watches von Besitzern kaufen, die an anderen Orten der Welt leben und die Uhr auf Ihre Bedürfnisse anpassen lassen.

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Audemars Piguet Jules Audemars Equation of Time

Die Mondphasenanzeige befindet sich auf der 12-Uhr-Position. Sie wird mit gefärbtem Saphirglas realisiert und schimmert in tiefem Blau eines klaren Nachthimmels. Sie arbeitet mit höchster Präzision, denn die Scheibe verfügt statt der üblichen 59 Zähne über 135 Zähne. Dadurch weicht die Mondzeit pro Jahr nur um 45 Minuten ab. Einfachere Komplikationen gehen jährlich 57 Sekunden vor. Eine Korrektur muss erst im Jahr 2127 vorgenommen werden – und dies erfolgt dann unkompliziert über einen kleinen ins Gehäuse eingelassenen Drücker.

Rund um die Mondphase stehen die Monatsnamen, die ein Zeiger anzeigt. Rechts daneben befindet sich die Schaltjahresanzeige. Ein weiteres Hilfszifferblatt auf der 6-Uhr-Position zeigt mit zwei Zeigern Tagesdatum und Wochentag an.

Das Zifferblatt wirkt trotz der Fülle von Anzeigen sehr übersichtlich. Die einzelnen Hilfszifferblätter sind erhaben oder eingebettet, die verwendeten römischen Indizes schaffen eine gewisse Ruhe und Ausgewogenheit. Die Uhr kommt mit einer Krone aus, auf 5 Uhr sitzt der kaum sichtbar eingelassene Drücker für die Korrektur von Kalender und Mondphase. Einziger Wermutstropfen ist bei so einem Schmuckstück: Die Uhr ist nach Herstellergaben mit 2 bar bis 20 m wasserdicht – das heißt im Klartext, sie ist nicht einmal spritzwassergeschützt. Je nach Material und Zustand kostet die Uhr zwischen 20.000 und 50.000 EUR.

Breguet Classique Complications 3477 Equation

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Breguet Perpetual Calendar Equation of Time

 

Die Breguet Classique Complications 3477 wird auch unter dem Namen Breguet Equation of Time geführt. Wie die Jules Audemars, ist sie klassisch-schlicht im Aufbau. Sie bietet ebenfalls den Ewigen Kalkender, besitzt aber keine Mondphasenanzeige. So kommt sie mit 36 mm Durchmesser aus und verschwindet mit einer Höhe von 10,5 mm mühelos unter jedem Hemdsärmel. Das Zifferblatt aus versilbertem Massivgold wirkt dadurch aufgeräumter.

Auch Breguet verwendet römische Ziffern. Der Wochentag wird in drei Buchstaben auf der 12-Uhr-Position dargestellt. Die Äquations-Anzeige ist mit einem 45 Grad Hilfszifferblatt auf der 2-Uhr-Position realisiert: Hier kann die Abweichung der Sonnenzeit auf einer Skala von +15 bis -15 abgelesen werden. Die Gangreserveanzeige befindet sich symmetrisch gegenüberliegend auf der 11-Uhr-Position. Im Zentrum des Zifferblatts befindet sich die Anzeige für die Monate.

Die Schaltjahresanzeige auf 8 Uhr gibt Auskunft, ob wir uns in einem Schaltjahr befinden oder nicht. Im Jahr 2100 wird sie durch einen eingelassenen Drücker oberhalb der Krone auf 2 Uhr korrigiert. Die Referenznummer befindet sich, wie bei Breguet typisch, auf dem Zifferblatt rechts mit dem Markennamen. Die Tagesdatumanzeige mit Zeiger auf einem Hilfszifferblatt bei der 6-Uhr-Position rundet das Bild ab.

Die Breguet 3477 besticht durch die verwendeten Materialien und die Finissage. Die Zeiger aller Anzeigen sind gebläut. Ist das Gehäuse aus Gold, so sind es auch die reich verzierten Bauteile und der guillochierte Rotor. In der Platinvariante sind diese Teile des Kalibers 502 DPE aus Platin. Sie können durch den Saphirglasboden im Antlitz dieser Schönheit schwelgen.

Das Werk kommt mit 18.000 Halbschwingungen aus und erreicht so verschleißarm eine Gangautonomie von 45 Stunden. Das Gehäuse wird von einem schwarzen Krokolederband gehalten, die Faltschließe besteht aus dem Material des Gehäuses. Neu kostet diese Uhr mehr als 150.000 EUR, in gutem Zustand werden Gebrauchte für etwa 50.000 EUR gehandelt.

Panerai Luminor GMT Equation of time

Panerai Luminor 1950 8 Days Acciaio
Panerai Luminor 1950 8 Days Equation of Time

 

Eine robustere und zugleich sehr schöne Alternative zu diesen beiden klassischen Dresswatches ist die Luminor 1950 Equation of Time. Das Erscheinungsbild ist mit dem satinierten Titangehäuse und dem wahlweise matt-braunen oder tiefblauem Zifferblatt angenehm zurückhaltend.

Das Gehäuse, mit dem für die Taucheruhr der italienischen Marine typischen Kronenschutzbügel, misst 44 mm. Für kräftige Handgelenke gibt es auch eine 47 mm Variante. Das Zifferblatt wirkt aufgeräumt und ausgewogen – die Ziffern auf 3, 6, 9 und 12 sowie die dazwischenliegenden Strichindizes und sämtliche Zeiger sind fluoreszierend. Ein zentraler Zeiger mit Pfeilspitze zeigt die zweite Zeitzone an. In die schlicht aufgesetzte Skala der kleinen Sekunde links ist eine am/pm Anzeige integriert.

Die Abweichung der Sonnenzeit wird, für Panerai typisch, linear oberhalb der 6-Uhr-Position dargestellt. Die hier üblicherweise positionierte Gangreserveanzeige befindet sich nun retrograd auf der Rückseite und ist durch den Saphirglasboden zu sehen. Das reicht auch aus, denn das Handaufzugskaliber P 2002/E mit drei Federhäusern läuft voll aufgezogen acht Tage. Abgerundet wird das Design des Zifferblatts durch das zurückhaltende, aber ebenfalls sehr gut ablesbare Datumsfenster auf der 5-Uhr-Position.

Die Panerai bietet weniger Komplikationen als die beiden anderen dargestellten Uhren von Audemars Piguet und Breguet, punktet dafür aber mit der hohen Gangreserve und der Wasserdichtheit bis 200 m (20 bar). Weniger komplizierte Uhren sind auch günstiger – die Referenzen PAM00670 mit blauem und PAM00656 mit braunem Zifferblatt kosten gebraucht etwa 15.000 EUR, neu etwa 20.000 EUR.

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Über den Autor

Tomas Renner

Ich bin Tomas und arbeite seit mehreren Jahren für und mit Chrono24. Die erste Uhr, die ich selbst kaufte, war eine Quarz-Toolwatch von Casio mit Höhenmesser, die …

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