Es mag paradox klingen, doch kleine Fehler können den Wert einer Uhr immens in die Höhe treiben. Gemeint sind optische Unvollkommenheiten, welche die Funktion der Uhr nicht negativ beeinflussen, ihr aber eine gewisse Exklusivität verleihen. In diesem Artikel schauen wir uns einige Beispiele für Fehler an, die aus gewöhnlichen Zeitmessern gesuchte Sammlerstücke machen.
Tropical Dials, Ghost Bezels und Co.
Farbveränderungen von Zifferblatt, Lünette oder Leuchtmasse machen ohne Zweifel die größte Gruppe begehrter Mängel bei Uhren aus. Besonders häufig sind die sogenannten Tropical Dials, die im Laufe der Jahre langsam ihre Farbe ändern. Allgemein wird davon ausgegangen, dass bei der Produktion der Zifferblätter versehentlich Chemikalien verwendet wurden, die auf Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung, Temperatur oder Luftfeuchtigkeit reagieren. Ganz abschließend geklärt ist dieser Sachverhalt zwar nicht, ihren Namen haben diese Zifferblätter trotzdem weg.
Uhrenenthusiasten verbinden mit dem Begriff Tropical Dial meist Zifferblätter, die ursprünglich schwarz waren und mit der Zeit in einen Braunton übergegangen sind. Aber auch andere Farbverschiebungen sind möglich. Weiße Zifferblätter nehmen oftmals einen cremefarbenen Ton an, bei Gold- und Silberzifferblättern verschiebt sich die Farbe gern in Richtung verschiedener Grau- oder Grüntöne. Selbst Farbverschiebungen hin zu Rosa oder Lila sind möglich.
Das Hauptkriterium dafür, ob ein Tropical Dial als begehrenswert wahrgenommen wird, ist die Art, wie das Blatt seine Farbe geändert hat. Die meisten Sammler bevorzugen Zifferblätter, bei denen die ursprüngliche Farbe komplett durch eine neue ersetzt wurde – also beispielsweise ein ehemals schwarzes Zifferblatt nun in einem Schokoladenbraun erscheint. Als interessant gelten aber auch Farbverläufe oder Farbveränderungen, die ein regelrechtes Muster auf dem Zifferblatt entstehen lassen. Wichtig ist in allen drei Fällen, dass der Farbwechsel möglichst gleichmäßig ablief. Fleckige Zifferblätter finden wenig Anklang, da sie „schmutzig“ wirken.
Mit der Farbveränderung des Zifferblatts geht in der Regel auch eine Änderung der Leuchtmasse einher. Besonders gut zu erkennen ist das bei älteren Uhren, deren Leuchtfarbe noch auf Tritium basiert. War das Material eigentlich einmal Weiß, nehmen die Leuchtmarkierungen mit der Zeit immer mehr einen Beige-Ton an. Das Ideal für eine solche Lume Patina sind vollständig erhaltene Indizes, die möglichst alle den gleichen Farbton aufweisen.
Nahe Verwandte der Tropical Dials sind die sogenannten Spider Dials. Das Zifferblatt reagiert hier ebenfalls auf Umwelteinflüsse – allerdings nicht mit Farbveränderungen, sondern mit kleinen Rissen im Lack. Auf diese Weise entsteht eine Struktur, die entfernt an ein Spinnennetz erinnert. Auch bei diesen Blättern gilt: Je gleichmäßiger das Muster, desto interessanter ist die Uhr für potenzielle Sammler.
Farbveränderungen gibt es jedoch nicht nur auf dem Zifferblatt. Auch die Lünette kann hiervon betroffen sein – vorausgesetzt natürlich, sie verfügt über eine farbige Einlage. Besonders häufig trifft man solche Ghost Bezels bei älteren Taucheruhren, deren Lünetteneinlagen aus Aluminium bestehen. Diese bleichen mit der Zeit aus und verändern dabei ihre Farbe. Prominente Beispiele sind die Submariner und die GMT-Master von Rolex. Bei Erstgenannter verwandelt sich die schwarze Lünette häufig in ein helles Grau-Blau. Das satte Blau-Rot der Pepsi-Lünette der GMT-Master erscheint hingegen oftmals als eine Kombination aus Hellblau und Altrosa.
Fehldrucke und andere Produktionsfehler
Neben Uhren mit „natürlichen“ Fehlern, gelangen auch immer wieder Zeitmesser in den Umlauf, die eigentlich nie die Hallen der Hersteller hätten verlassen dürfen. Solche Uhren sind – ähnlich wie Fehldrucke bei Briefmarken – äußerst selten und für manchen Sammler so etwas wie der Weiße Wal einer Uhrensammlung.
Beispiele für solche Produktionsfehler gibt es erstaunlich viele. So findet man bisweilen Daytona-Exemplare der Referenz 116520, bei denen Rolex den berühmten Daytona-Schriftzug über dem Hilfszifferblatt bei der 6 vergessen hat. Für Sammler ist dieses als „No Daytona“ bekannte Modell eine der begehrenswertesten Varianten des Rolex-Chronographen.
Es sind auch einige Exemplare der Rolex Milgauss 6541 im Umlauf, die ebenfalls ohne ihren Namensschriftzug auskommen. In diesem Fall scheint es sich jedoch um eine bewusste Entscheidung von Rolex zu handeln. Notizen in den Archiven der Genfer Manufaktur belegen, dass diese Uhren 1958 speziell für den britischen Markt angefertigt wurden, um die schleppenden Verkaufszahlen anzukurbeln.
Bei Omega kam es in den 1950er- und 60er-Jahren gelegentlich vor, dass bestimmte Bauteile einer Uhrenkollektion gern in anderen Kollektionen zweit verwertet wurden. So ist zum Beispiel bekannt, dass der Bieler Hersteller Ende der 1960er-Jahre eine Charge der Seamaster 300 Referenz 165.024 aus Mangel an Seamaster-Stahlböden mit dem Gehäuseboden der Speedmaster ausstatteten. Dass dies mit voller Absicht geschah, erkennt man daran, dass im Innern des Deckels die korrekte Seamaster-Referenznummer eingestanzt ist.
Unser nächstes Beispiel stammt aus der jüngeren Vergangenheit. Bei Tudor schlüpften im Jahr 2017 einige Black Bay Bronze-Exemplare mit fehlerhaft bedruckten Zifferblättern durch die Qualitätskontrolle. Bei diesen Uhren fehlt in dem Schriftzug „Officially Certified“ das zweite „i“ in „Officially“. Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass die Farbe an dieser Stelle nicht richtig auf das Zifferblatt aufgebracht wurde und die Uhren nun „Offic ally Certified“ sind.
Wie wertvoll sind Rolex Daytona „No Daytona“ & Co.?
Uhren mit den oben beschriebenen Fehlern haben eines gemeinsam: Sie sind extrem rar und im Fall von Tropical und Spider Dials echte Unikate. Es ist diese Exklusivität und Einzigartigkeit, die bei vielen Sammlern und Uhrenfreunden Begehrlichkeiten weckt. Den Gesetzen des Marktes folgend, ergibt die begrenzte Verfügbarkeit bei gleichzeitig hoher Nachfrage entsprechend hohe Preise
Eine Rolex Daytona 116520 „No Daytona“ knackt beispielsweise leicht die 100.000-Euro-Marke, während die reguläre Ausführung zu Preisen von ca. 35.000 EUR zu haben ist. Die Rolex Submariner Referenz 1680 „Red Sub“, die wegen ihres roten Submariner-Schriftzugs bei Rolex-Fans ohnehin schon hoch im Kurs steht, können Sie im neuwertigen Zustand für etwa 26.000 EUR kaufen. Für das gleiche Modell mit Tropical Dial und Ghost Bezel steigt der Preis mindestens auf das Doppelte. Ähnlich sieht es auch mit „fehlerhaften“ Uhren von Omega, Patek Philippe oder Audemars Piguet aus. Selbst bei kleineren Marken wie Tissot, Eterna oder Certina liegen die Preise für Exemplare mit Tropical Dial meist deutlich über denen der fehlerlosen Ausführung.
Seien Sie bei Kauf einer solchen Uhr jedoch vorsichtig. Stellen Sie immer sicher, dass Sie nur Uhren mit den nötigen Papieren kaufen. Auf diese Weise können Sie einigermaßen sicher sein, dass es sich bei der Uhr um ein authentisches Exemplar handelt. Nichts ist schlimmer, als viel Geld für die vermeintliche Traumuhr auszugeben, nur um im Anschluss festzustellen, dass es sich um eine „Frankenwatch“ handelt. Diese Uhren sind aus Teilen anderer Uhren zusammengesetzt, um so den Eindruck einer authentischen Vintage-Uhr zu erzeugen. Es kommt auch vor, dass künstlich gealterte oder komplett gefälschte Zifferblätter verbaut werden, um mögliche Käufer zu täuschen. Überprüfen Sie die Uhr vor dem Kauf also genau und lassen Sie im Zweifel lieber die Finger davon.
Fazit: Sind fehlerhafte Uhren eine gute Wertanlage?
Optische Fehler können Uhren zu echten Sammlerstücken machen. Sie sind rar und in vielen Fällen echte Unikate. Diese Exklusivität hat jedoch ihren Preis. Je nach Marke und Ausprägung des Fehlers kosten solche Uhren immer ein gutes Stück mehr als ihre fehlerlosen Schwestermodelle. Bei besonders raren Exemplaren kann der Preis auch schnell astronomische Ausmaße annehmen. Ob Sie am Ende des Tages bereit sind, so viel mehr für einen solchen Zeitmesser auszugeben, müssen Sie jedoch selbst entscheiden.