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Tickende Stereotypen der Uhrenwelt – der Uhren-Flipper

Von Sebastian Swart
3. März 2025
5 Minuten
Flipper 1

Tickende Stereotypen der Uhrenwelt – der Uhren-Flipper

Die Akteure in der Uhrenwelt sind so vielfältig wie „im echten Leben“. Ähnlich einem städtischen Marktplatz gehen auch hier eine Vielzahl unterschiedlicher Menschen in unterschiedlichen Funktionen ihren Geschäften und Professionen nach. Im Mittelpunkt stehen die Händler, die ihre Waren anbieten. Doch kein Marktplatz funktioniert ohne die zweite zentrale Gruppe: den vielfältigen Personenkreis der Käufer. Auf Uhrenmarktplätzen haben wir es ebenfalls mit einem sehr heterogenen Kundenkreis zu tun.

Da gibt es etwa den Investitionstyp, der versucht, mit Uhren das große Geld zu machen. Der Sammler hingegen legt kaum Wert auf Geld, für ihn steht die Leidenschaft im Mittelpunkt. Der Status-Liebhaber möchte vordergründig seinem Umfeld gefallen und schmückt sich mit teuren Uhren großer Marken, während der Enthusiast vorwiegend auf Fachmessen zu finden ist, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Die fünfte Gruppe ist die der Uhren-Flipper. Dieser unstete Typ wechselt seine Uhren wie Unterwäsche und zeichnet sich durch seinen ausgeprägten Jagdinstinkt aus. In diesem Artikel stellen wir Ihnen die eigenwillige Spezies des Flippers mit einem Augenzwinkern etwas näher vor. Erkennen Sie sich wieder?

Die Psychologie des Uhren-Flippers

"Zeit ist Geld" könnte im übertragenen Sinne auch das Motto des Flippers sein.
„Zeit ist Geld“ könnte im übertragenen Sinne auch das Motto des Flippers sein.

Der Flipper: Er ist das Chamäleon der Uhrenwelt, denn er verkörpert eine faszinierende Mischung aus neugieriger Sammlerleidenschaft und unbändigem Verkaufsdrang. Jagen, kaufen, tragen, verkaufen. Flipper sind unentwegt auf der Pirsch nach der nächsten vermeintlich perfekten Uhr. Ihre zahlreichen Neuzugänge tragen sie lediglich als handgelenkschmeichelnde Trophäen, nur um sie kurze Zeit später möglichst profitabel wieder abzustoßen. Die perfekte Traumuhr kann es für diese umtriebige Spezies wohl niemals geben.

Dem wahren Uhren-Flipper geht es also keineswegs um den schnöden Besitz eines glitzernden Luxusguts als vielmehr um die aufregende Reise durch den niemals endenden Uhren-Dschungel. Durch diese undurchdringliche Wildnis irrt der Flipper hin und her, auf und ab, wie ein zielloser Teenager vor dem Süßigkeitenregal. Der unentwegte Kaufrausch sorgt für die ersehnten Dopamin-Kicks, denn diese geben seinem Leben überhaupt erst einen Sinn. Um seine Bestimmung noch zu vertiefen, postet der Flipper massenhaft Fotos einer jeden neuen Jagdtrophäe in einschlägigen Foren und den fragwürdigen Irrungen der sozialen Medien. Der Uhren-Flipper ist ein verkannter Entertainer, der nach horologische Anerkennung strebt. Beim Verkauf des erst vor Kurzem ergatterten Zeitmessers gerät der Flipper in freudig-nervöse Ekstase. Kriegt er den Ticker wieder veräußert, wird heute der passende Käufer aufgestanden sein? Lässt sich ein Gewinn erzielen?

Für den Flipper gilt: Bindung ist etwas für Weicheier, ewiger Wechsel garantiert Vielfalt. Das Streben nach der perfekten Uhr muss unendlich bleiben. So muss er sich nicht festlegen, kann das Uhren-Glücksrad immer weiter drehen.

Die Jagd – „the hunt is better than the catch“

Nachdem wir die wenig komplexe und leicht durchschaubare Psychologie des Uhren-Flippers ein wenig eingängiger betrachtet haben, kommen wir zum Beuteschema des emsigen Uhren-Aficionados. Als professioneller Prädator ist der Flipper optimal für die Jagd in den Wirrungen des Uhren-Buschs angepasst. Während etwa der Wolf mit scharfen Zähnen und Krallen ausgestattet ist, besitzt der Uhren-Flipper ein ausreichend gedecktes Bankkonto, einen schnellen Hochleistungsrechner und ist besonders flink mit der Computermaus. Manch ein Flipper streunt auch durch die Straßen eines Großstadtdschungels, um dort Beute bei nichts ahnenden Konzessionären zu machen.

Der Flipper ist – gleich einem Krokodil oder einer Raubkatze – ein Lauerjäger, der mit ausreichender Geduld auf den richtigen Moment wartet, um schließlich blitzschnell zuzuschlagen. Als natürliche Habitate zur Jagdausübung dienen prinzipiell alle Uhrenmarktplätze der Welt. Ausschlaggebend ist lediglich, das beste Angebot zum bestmöglichen Preis zu erspähen. Ist die Beute schließlich lange genug im Visier, schlägt der Flipper gnadenlos zu und verschlingt sein Raubgut wie eine Viper. Der erfolgreichen Jagd folgt nach kurzer Ruhe- und Verdauungsphase jener Kreislauf, den wir bereits im ersten Absatz unter „Die Psychologie des Flippers“ beschrieben haben.

Die Beute – kein Zeitmesser ist sicher

Egal ob elegant oder sportlich, der Flipper jagt alles, was Rang und Namen hat - und sich entsprechend wieder veräußern lässt.
Egal ob elegant oder sportlich, der Flipper jagt alles, was Rang und Namen hat – und sich entsprechend wieder veräußern lässt.

Leidenschaftliche Uhrensammler zeichnen sich vorrangig dadurch aus, dass ihre Hingabe zu schönen Zeitmessern weit über deren reinen Besitz hinausgeht. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Wertschätzung für hohe Handwerkskunst, technische Innovation und die Geschichte der gehorteten Uhren. Oft konzentriert sich der Sammler dabei auf Vintage-Modelle und bestimmte Themen wie die Fliegerei oder den maritimen Kontext. Sammler haben zudem einen emotionalen Bezug zu ihren zusammengetragenen Schätzen, investieren viel Zeit und Mühe in Expertise und erweitern ihr Wissen mithilfe von Fachliteratur oder Fachdiskussionen in Foren und Communitys.

Der Uhren-Flipper repräsentiert praktisch das Gegenteil des Sammlers und streift dessen Motive bestenfalls. So geht es dem Flipper bei der Beutesuche vor allem um den besten Deal für eine etablierte Markenuhr im gefälligen Design. Ob Flieger- oder Taucheruhr, ob Drei-Zeiger-Uhr oder Chronograph: Der Uhren-Flipper ist nicht festgelegt – es schmeckt, was auf den Tisch kommt und was seinem Nächsten genauso schmeckt. Um es zurück in den Kontext eines Prädators zu bringen: Der Flipper ist kaum auf eine bestimmte Beute spezialisiert und daher hochflexibel. Uhren dienen dem Flipper als Mittel für mehrere Zwecke: Befriedigung des Jagd- und Beutetriebs, Prestige und Anerkennung sowie Handel mit Aussicht auf Gewinn.

Ein Blick in die Uhrenbox des Flippers – mehr ist mehr

So chaotisch wie im Kopf des Flippers geht es auch in seiner Uhrenbox zu. So mischen sich unter kostspielige Luxuszeitmesser großer Hersteller auch Uhren preisgünstiger Mikrorands, die das Budget nicht allzu sehr sprengen. Zu Taucheruhren gesellen sich verschiedene Chronographen im Flieger- oder Racing-Stil, die ein oder andere Dresswatch hat ebenfalls ihren Platz im Flipper-Portfolio eingenommen. Allen Zeitmessern gemeinsam ist ein massenkompatibles Design und ein dem jeweiligen Modell entsprechend geringer Einkaufspreis. Gekauft wurden alle 25 Uhren maximal innerhalb der vergangenen zwölf Monate.

Die nächsten Uhrenprojekte stehen bereits an und daher muss Platz in der Box geschaffen und die Neufinanzierung akribisch geplant werden. Es ist somit kaum verwunderlich, dass sich der Flipper mental bereits von der Hälfte seiner Uhren verabschiedet hat. Während bald die Fotosession für die aussortierten Modelle ansteht, formuliert er bereits die Verkaufstexte für die einschlägigen Handelsplätze.

Kann der Uhren-Gral die Jagd beenden?

Die Patek Philippe Nautilus 5711 hat in den letzten Jahren einen dramatischen Wertzuwachs erfahren
Für viele der Inbegriff einer Grailwatch: Die Patek Philippe Nautilus 5711. Würde selbst dieses Modell den Flipper kalt lassen?

Ob eine bestimmte Uhr die Jagd für den Flipper ein für alle Mal beenden wird, kann wohl klar mit Nein beantwortet werden. Die Frage nach dem sogenannten Uhren-Gral oder auch der Grailwatch ist so müßig wie die Frage nach der letzten Mahlzeit, die den Hunger für immer stillt. Der Flipper ist vollkommen an die Lebensweise des Uhren-Jägers angepasst und hat immer Appetit auf frische Ware. Die Tische des Uhrenmarktes werden regelmäßig reich gedeckt und halten unzählige verführerische Köstlichkeiten für ihn bereit. Und so begibt sich der Flipper immer wieder aufs Neue in das herausfordernde Dickicht des Uhren-Dschungels. Im Gepäck: Mut, Tatendrang und die Leidenschaft für schöne, rentable Uhren.

Über den Autor

Sebastian Swart

Sebastian Swart

Chrono24 nutze ich privat bereits seit vielen Jahren zum An- und Verkauf, aber auch zur Recherche. Von Uhren bin ich fasziniert, solange ich denken kann. Bereits …

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