Seitdem ich denken kann habe ich ein Faible für schöne und funktionale Uhren. Die Uhrenmarke spielt für mich eine eher untergeordnete Rolle. Wichtig ist, dass die Uhr gefällt und natürlich eine gewisse Qualität bietet. Bis vor etwa 10 Jahren hielt ich überwiegend nach Taucheruhren Ausschau, doch dann geriet eine Funktion in meinen Fokus, die ich bis heute als die für mich Nützlichste erachte: die GMT-Funktion. Rein optisch haben eine 24-Stunden-Skala sowie der zusätzliche GMT-Zeiger außerdem das gewisse Etwas, das eine GMT-Uhr von Taucheruhren abhebt.
Wie üblich begann ich mit umfangreichen Recherchen und landete über kurze Umwege – wie könnte es anders sein – bei der Rolex GMT-Master. Dass der Name Rolex auf dem Zifferblatt steht, hat mich nicht weiter gestört, doch die damals aktuellen Varianten trugen für meinen Geschmack schon viel zu dick auf. Vintage-Exemplare mit Toolwatch-Charakter gefielen mir besser, waren aber auch vor rund 10 Jahren preislich schon recht abgehoben.
Eine Alternative musste her und mit der Rolex Explorer II Ref. 16570 drängte sich mir eine solche förmlich auf. Nach genauerer Betrachtung gefiel mir auch die Edelstahllünette wesentlich besser als die farbigen Lünetten der GMT-Master II. Wie bei dieser waren die Features in der Summe für mich perfekt: Edelstahlgehäuse mit 40 mm Durchmesser, ein angenehm flaches Profil und eben eine GMT-Funktion, die das Rolex-Kaliber 3185 bietet. Außerdem sollte es die Variante mit schwarzem Zifferblatt werden.
Die Ex kommt und geht
2014 war ich 41 Jahre alt und noch ein aktiver Musiker. Im Herbst des Jahres absolvierte ich mit meiner damaligen Band eine ausgiebige Europatour, in deren Anschluss ich mir – zur Belohnung – die Rolex Explorer II gegönnt hatte. Über Chrono24 fand ich schnell ein gutes gebrauchtes Exemplar aus dem Jahr 2003. Bereits nach dem ersten Anlegen wusste ich, dass diese Uhr für mich perfekt ist und die Jagd nach einem neuen Objekt der Begierde eigentlich eingestellt werden kann …eigentlich. Rund zwei Jahre trug ich die 16570 regelmäßig im Wechsel mit anderen Uhren aus meiner Sammlung, die meist aus fünf bis sieben Uhren besteht. Da ich allerdings das bin, was man einen Flipper nennt, befindet sich diese Sammlung im stetigen Wandel.
So flippte ich dann 2016 auch meine Explorer II, um mir aus reiner Neugier eine Tudor Heritage Black Bay und eine Omega Seamaster Planet Ocean 600M zu kaufen. Rein finanziell betrachtet war das ein Fehler. Damals dachte ich jedoch noch, dass ich mir eine Explorer II jederzeit zum gleichen Preis wieder kaufen könnte, sollte ich sie einmal vermissen. Wie wir heute aber alle wissen, war das ein Irrglaube, dem auch meine damalige Sea-Dweller zum Opfer fiel, doch das ist eine andere Story …
Die Explorer II war also weg, im Laufe der folgenden drei Jahre kamen und gingen einige weitere schöne Uhren von allen möglichen großen und kleinen Marken. Da mir die Preis- bzw. Wertentwicklung bei Uhren immer relativ egal war, habe ich diese auch für die Explorer II nie weiterverfolgt. Das sollte sich allerdings ändern, als ich 2019 meinen Job bei Chrono24 antrat. Seither habe ich täglich mit Fragen und Antworten zur Wertentwicklung oder dem Wertsteigerungspotenzial bestimmter Uhrenmodelle zu tun.
Das Feuer entfachte erneut
Als ich Ende 2021 wieder einmal über einem Rolex-Text brütete und einer Preisrecherche zur Explorer II Ref. 16570 nachging, stockte mir der Atem. Wie war es möglich, dass diese schöne, doch recht einfache Uhr plötzlich 5.000 EUR teurer war als noch sechs bis sieben Jahre zuvor? Die Antwort kennen wir: Coronakrise und verschiedene weltwirtschaftliche Ereignisse schwemmten vermehrt Spekulanten in den Luxusuhrensektor, wodurch die Preise für bestimmte Modelle einiger Marken in schwindelerregende Höhen getrieben wurden. So auch bei der Explorer II 16570.
So oder so: Die Uhr rückte plötzlich wieder in meinen Fokus und brannte sich förmlich in mein Gehirn. Für mich war klar, dass dieses Modell in meiner langen Flipper-Karriere und in der Summe ihrer Eigenschaften die für mich beste Uhr war, die ich je besessen hatte. Das Feuer war somit wieder entfacht.
Anfang 2022 war die Jagd dann eröffnet. Recherchieren, die bekloppten Preise vergleichen, Fragen an Verkäufer stellen und so weiter. Eine Frage aber konnte mir niemand beantworten: Sollte ich wirklich das mittlerweile fast Dreifache des Preises von 2014 für eine identische Uhr ausgeben? Rational war es natürlich kaum zu erklären, dass ich mir diese Frage unterbewusst längst mit „Ja“ beantwortet hatte.
Im Mai 2022 wurde es dann konkret. Auf der Website eines bekannten deutschen Luxusuhrenhändlers, der auch im Berliner KaDeWe einen Stützpunkt hat, wurden interessante Exemplare angeboten. Diesmal wollte ich explizit nicht gebraucht über ein Forum oder den Onlinehandel kaufen. Für den aufgerufenen Betrag erwartete ich, dass man mir die Uhr präsentiert und irgendeinen Quatsch darüber erzählt.
Als ich dann im Verkaufsraum des Händlers saß und mir der adrette Verkäufer gleich drei frisch revisionierte Explorer II 16570 vor die Nase legte, war ich wieder schockverliebt. Ich wusste, dass ich den Laden nicht ohne eine dieser Uhren verlassen würde. Letztlich entschied ich mich für das jüngste und auch teuerste der drei Exemplare, eine völlig neuwertig anmutende Explorer II aus dem Jahr 2003. Es mag wohl auch an meinem Dopaminspiegel gelegen haben, dass es mir egal war, dass zwar die Papiere dabei waren, die Box jedoch fehlte. Dafür gab der Händler ein etwas schäbig aussehendes Kästchen aus eigener Produktion dazu. Was soll’s, das ganze Full Set-Geschwurbel war mir schon immer egal. Vor einiger Zeit entfernte ich dann noch das Original-Oyster-Band und ersetzte es durch ein bequemes Tropical Strap.
Als Teil meiner Chrono24 Watch Collection habe ich die Wertentwicklung der 16570 seit dem Kauf diesmal im Blick. Sie ahnen vermutlich, dass ich aus anlagestrategischer Sicht keinen geschickten Move gemacht habe. Dafür kann ich ein fettes Minus von 20 % vorweisen, das muss man auch erst einmal schaffen. Doch wie wir alle wissen: Wo die Liebe hinfällt, sollte Geld ohnehin keine Rolle spielen.