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Silicon Valley vs. Genf – Smartwatches contra mechanische Uhren

Von Jorg Weppelink
27. Februar 2018
6 Minuten
Rolex Sea-Dweller and Apple Watch Image Bert Buijsrogge & Apple-min

Rolex Sea-Dweller und Apple Watch, Fotos: Bert Buijsrogge & Apple

In den letzten Jahren gab es immer wieder Diskussionen über das Aufkommen von Smartwatches und ihre Auswirkung auf die klassische Uhrenindustrie. Während einige der Meinung sind, Smartwatches könnten mechanische Uhren bald ersetzen, glauben andere, Smartwatches könnten der Schlüssel zu ganz neuen Käuferschichten sein, weil sie möglicherweise ein Interesse für Armband- und Luxusuhren wecken. Journalisten und Uhren-Fans haben schon nahezu jedes erdenkliche Szenario diskutiert. Fast drei Jahre nach der Einführung der Apple Watch kann man guten Gewissens sagen, dass Smartwatches und mechanische Uhren vorerst gut nebeneinander existieren können. Zeichnet sich ein Gewinner ab? Nicht wirklich…

Die Herausforderung

Zunächst einmal ist es interessant sich anzuschauen, worauf die Entwicklung von Smartwatches eigentlich basiert. Will man diese Entwicklung verstehen, muss man sich die Herausforderungen vor Augen führen, die die Firmen zu meistern haben, um Kunden zu gewinnen. Die größte Herausforderung der Uhren-Industrie ist ihr konservativer und schwerfälliger Charakter. Das wird durch die wesentlich flexibleren Tech-Unternehmen weiter verstärkt, da diese sowohl bei der Produktion als auch bei der Ansprache der Kunden in einem deutlich höheren Tempo arbeiten. Wollen traditionelle Marken ein Teil des Marktes für Smartwatches sein, müssen sie ihr Geschäftsmodell den gegebenen Umständen anpassen.

Lassen Sie uns nun etwas näher auf das Thema eingehen und bei den Produkteigenschaften beginnen. Kann man eine Smartwatch mit einer mechanischen Uhr vergleichen oder handelt es sich um völlig unterschiedliche Produkte? Die Antwort auf diese Frage würde entscheiden, ob Smartwatches traditionelle Uhren wirklich ersetzen können. Wenn es um die reine Zeitmessung geht, sind Smartwatches tendenziell kein Ersatz für klassische Zeitmesser. Niemand kauft eine Smartwatch, um damit nur die Zeit abzulesen. Interessanter wird es bei einem Blick auf die Ausgangsposition der verschiedenen Hersteller und deren Herausforderungen, den Kunden davon zu überzeugen lieber die eigene (Smart)Watch zu kaufen und nicht die Apple Watch.

Apple vs. Rolex

Apple Watch 3, Image: Apple
Apple Watch 3, Foto: Apple

Was Smartwatches angeht, werden wir uns auf die Apple Watch konzentrieren, weil sie der größte Konkurrent für traditionelle Uhrenmarken ist. Zudem vergleicht Apple seine Verkaufszahlen mit denen von Rolex und Omega, um den Eindruck zu erwecken, große Auswirkungen auf die Uhrenindustrie zu haben. Auch wenn die Zahlen deutlich den kommerziellen Erfolg der Apple Watch belegen, bedeutet das nicht, dass sich Apple zur Luxus-Uhrenmarke etabliert hat oder dieselben Emotionen beim Käufer weckt wie traditionelle Uhrenmarken. Natürlich werden klassische Hersteller die kommerziellen Auswirkungen zu spüren bekommen, weil es Kunden geben wird, die statt einer mechanischen Uhr lieber eine Smartwatch kaufen. Jedoch ist die Motivation eine Apple Watch für 400 Euro zu kaufen eine ganz andere als 10.000 Euro für eine Rolex auszugeben. Zu der großen Diskussion trägt das also nur einen winzigen Teil bei.

Der Schlüssel zu Apples großem Erfolg ist, dass sie Technologie „sexy” gemacht haben. Mit ästhetisch ansprechendem Design hat die Marke es geschafft, funktionalen Produkten einen emotionalen Wert zu geben, den diese im Grunde nicht besitzen. Für bahnbrechenden Erfolg müsste Apple eine funktionale Uhr bauen, die denselben Markenreiz besitzt wie die anderen Apple-Produkte. Warum der funktionale Ansatz? Weil Apple nun einmal ein Tech-Unternehmen ist und kein Uhrenhersteller und damit nicht unbedingt traditionelle Uhrenkäufer anspricht. Der Reiz von Smartwatches liegt für die meisten Menschen in den vielfältigen Funktionen, die sie bieten. Wenn es eine Firma jedoch schafft, die Kunden auf emotionaler Ebene anzusprechen wie Apple es tut, hat sie ein bedeutungsvolles Produkt geschaffen.

Auf der anderen Seite gibt es traditionelle Uhrenhersteller, die ihren Horizont erweitert und Smartwatches hergestellt haben. Für sie wird es künftig wichtig sein, traditionelle Uhrenkäufer zu gewinnen, die ihre Uhren wegen der handwerklich hohen Qualität, der Tradition und Geschichte sowie der Gesamtästhetik kaufen. Damit dies gelingt müssen die Kunden davon überzeugt werden, dass ein traditioneller Uhrenhersteller dazu in der Lage ist, ein modernes technisches Produkt auf derselben Basis von Vertrauen und Emotionen zu entwickeln wie ihre mechanischen Uhren. Das Ganze hat also weniger damit zu tun, Emotionen für Uhren zu wecken als vielmehr das Vertrauen in die Qualität zu stärken und sie von der Logik von smarten Funktionen in einer Uhr zu überzeugen.

Beide Seiten haben die Hilfe von Vertretern der jeweils anderen Seite in Anspruch genommen, um ihre Erfolgsaussichten zu verbessern. Apple nutzte das Wissen des weltbekannten Designers Marc Newson, während dieser für Ikepod und Jaeger-LeCoultre arbeitete. Fast alle traditionellen Uhrenfirmen, die Smartwatches entwickelt haben, wie Alpina, Frédérique Constant, Montblanc und TAG Heuer haben mit zumeist kalifornischen Tech-Unternehmen zusammengearbeitet, um ihre Uhren „smart” zu machen. Ein logischer Schritt, brauchen sie doch auf diese Weise nicht in die Entwicklung von Wissen zu investieren, das nicht zu ihrem Kerngeschäft gehört.

Smartwatches der Luxusklasse

TAG Heuer Connected 45 Modular, Image: TAG Heuer
TAG Heuer Connected 45 Modular, Foto: TAG Heuer

Welche Smartwatches von traditionellen Herstellern sind nun aber im Gespräch? Zwei Uhren, die für einiges Aufsehen gesorgt haben, sind die TAG Heuer Connected und ihre erst kürzlich vorgestellte Nachfolgerin, die TAG Heuer Connected Modular 45. Diese Uhr ist zu einem Preis von ca. 1.600 Euro zu haben und bringt fast alle Funktionen mit, die auch andere Smartwatches auf Android Wear-Basis auszeichnen. Wer sie schon einmal in Händen gehabt hat, wird sie ohne Zögern zu den Premium-Smartwatches zählen. Ihr Design basiert auf dem der populären Carrera-Serie und die verwendeten Materialien verleihen der Uhr das exklusive TAG Heuer-Gefühl und Glaubwürdigkeit.

Montblanc Summit Smartwatch, Image: Montblanc
Montblanc Summit Smartwatch, Foto: Montblanc

Eine andere Android Wear-Smartwatch ist die Montblanc Summit-Serie. Die Richemont Gruppe hat Montblanc dazu auserkoren, den Markt für Smartwatches zu erkunden. Die Wahl von Montblanc versetzte Richemont in die Lage, einem breiteren Publikum Luxusuhren zu einem vernünftigen Preis anbieten zu können. Das von der Montblanc 1858 inspirierte Zifferblatt und Gehäuse sind charakteristisch für die Summit-Serie und verleihen ihr trotz der elektronischen Funktionen ein gewisses Retro-Feeling. Die Preise für eine Summit beginnen bei ca. 800 Euro und machen sie so zu einem günstigen Einsteigermodell der High-End-Smartwatches.

Frédérique Constant Smartwatch, Image: Frédérique Constant
Frédérique Constant Smartwatch, Foto: Frédérique Constant

Einen anderen Ansatz, Smartwatch-Funktionen in eine klassische Uhr zu integrieren, verfolgte Frédérique Constant. Ein erster Schritt in Richtung Smart-Technologie war die Horological Smartwatch, die im Unterschied zu den Uhren von TAG Heuer und Montblanc nicht auf einen modernen Touchscreen setzt. Die Uhr sieht vielmehr aus wie eine klassische Uhr mit eingebauten Smart-Funktionen, die über eine App gesteuert werden. Mit diesem Ansatz ist sichergestellt, dass man immer das wohlbekannte Gefühl einer klassischen Uhr bekommt und nicht das Gefühl haben muss, ein Tech-Produkt bei einem klassischen Uhrenhersteller gekauft zu haben.

Der Ansatz von Frédérique Constant könnte der richtige Weg sein. Die Marke bleibt nah bei dem, was man von einer traditionellen Uhrenmarke erwartet und erfüllt so die Erwartungen eines klassischen Uhrenliebhabers, wenn er sich dem Feld der Smartwatches nähert. Außerdem hält sich die Marke so von den Diskussionen fern, in denen es darum geht, wie schnell Touchscreens und Benutzeroberflächen entwickelt werden müssen und wie Luxus-Smartwatches aussehen sollen. Vielleicht ist das der Weg zum Erfolg, wer weiß? Ob Smartwatches von traditionellen Uhrenherstellern erfolgreich sein werden, wird sich erst noch herausstellen müssen.

Die Zukunft

Auf der anderen Seite ist die Liebe der Kunden zu mechanischen Uhren ungebrochen. Der Fokus dieses Artikels lag zwar nicht auf dem Markt für mechanische Uhren, doch besteht nach wie vor ein großer Bedarf nach solchen Zeitmessern. In der heutigen globalisierten Welt gibt es Regionen, die wirtschaftlich stetig wachsen und einen steigenden Bedarf an Luxusgütern haben, von dem die Uhrenindustrie sehr profitiert. Das bedeutet jedoch nicht, dass die jüngsten Entwicklungen keine Auswirkungen auf die Industrie als Ganzes haben würden. Die Uhrenindustrie muss sich im Gegenteil darauf konzentrieren, innovativ zu bleiben, auf die Wünsche der Kunden einzugehen, die Produktion zu optimieren und durch großartige Geschichten eine Verbindung zu den Kunden aufzubauen, wenn sie weiterhin von Bedeutung bleiben möchte.

Longines Master Collection Chronograph, Image: Bert Buijsrogge
Longines Master Collection Chronograph, Foto: Bert Buijsrogge – Zu den Angeboten auf Chrono24

Im Jahr 2017 gab es einige großartige Geschichten rund um Uhren, die von der facettenreichen Geschichte und den starken Emotionen rühren, die die Branche auszeichnen. Man denke nur an das 60. Jubiläum der Omega Speedmaster, Railmaster und Seamaster und die damit einhergehende Vorstellung der höchst populären Omega 1957 Trilogy Limited Editions. Oder die Wiedereinführung eines auf den neusten Stand gebrachten Klassikers wie der Rolex Sea Dweller – dem Inbegriff der Rolex-Taucheruhr der letzten 50 Jahre. Und zu guter Letzt wäre da noch die viel beachtete Auktion der Rolex Daytona Paul Newman, die dem Schauspieler einst selbst gehörte und für 17,8 Millionen Dollar versteigert wurde. Solche Geschichten erzeugen eine Magie, die die Menschen anzieht. Man kann nur hoffen, dass die Uhrenindustrie in der Lage ist, die Menschen auch einzufangen.

Schlussendlich geht es dem Kunden um die Bindung zur Uhr und zur Marke und nicht um gewinnen oder ersetzen, wie es einen die Medien und die Hersteller glauben machen wollen. Momentan sind der emotionale und der technische Ansatz beider Industrien noch Welten voneinander entfernt. Doch betrachten Sie es doch einmal so: Die Uhrenindustrie war die erste, die ein Merkmal einführte, für das Apple-Produkte heute weltberühmt sind, nämlich Technik mit Emotionen zu verbinden. Vielleicht sind beide Welten doch nicht so weit voneinander entfernt… Für den Moment ist es interessant zu beobachten, wie die Firmen aus beiden Lagern die Herausforderung angehen, ihre Zukunft zu gestalten und sich weiterzuentwickeln. Was am Ende dabei herauskommt? Die Zeit wird es zeigen…

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Über den Autor

Jorg Weppelink

Jorg Weppelink

Hallo, ich bin Jorg und schreibe seit 2016 Artikel für Chrono24. Meine Beziehung zu Chrono24 reicht jedoch deutlich weiter zurück, denn meine Liebe zu Uhren erwachte …

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