Wenn von Uhren die Rede ist, gehen wir Liebhaber nicht gerade sparsam mit dem Begriff «Legende» um. Doch manche Modelle, wie etwa die Rolex Daytona, haben diese Bezeichnung wirklich verdient. Auch wenn diese Anfangsschwierigkeiten hatte – heute ist kaum ein anderes Uhrenmodell so gefragt wie sie. Jedoch hat sie ihren Erfolg nicht nur Paul Newman, einer Hollywood-Legende, zu verdanken. Auch das El Primero Werk von Zenith ist stark an ihrer Erfolgsgeschichte beteiligt. Diente dieses doch als der erste Automatikantrieb für die Rolex Daytona. Zudem ist El Primero wohl das einzige Werk, das zweifelsohne auch den Status einer Legende erreicht hat. Grund genug, sich genauer anzusehen, was dieses Werk auszeichnet – und wie es daran beteiligt war, die Rolex Daytona zu dem zu machen, was sie heute ist.
El Primero – eine Revolution in der Uhrenwelt
Alles begann in den 1960er Jahren. Damals gab es lediglich Chronographen mit Handaufzug. Grund dafür war, dass sich die Chronographen-Kadratur und der Automatikaufzug in einem Uhrwerk eigentlich gegenseitig im Weg stehen. Eine Lösung für dieses Problem wurde jedoch nicht nur von Zenith gesucht. Auch Seiko arbeitete an einem Automatikwerk für Chronographen sowie ein Team um Breitling und Heuer. Dennoch konnte Zenith als erstes Unternehmen diese Herausforderung bewältigen. 1969 präsentierte man das neue Werk – El Primero, also «der Erste». Dieser Name sollte nicht nur die zeitliche Einordnung sowie das gewonnene Rennen um das erste Automatik-Chronographenwerk markieren. Nein, Zenith beanspruchte damals auch ganz deutlich, zu den führenden Unternehmen der Schweizer Uhrenindustrie zu gehören.
Bereits auf den ersten Blick wurde eine seiner Stärken deutlich – mit 29,33 Millimeter Durchmesser und einer Höhe von 6,5 Millimetern ist das Werk relativ flach und lässt sich einfach in Uhren einbauen. Möglich wurde dies, indem man den Aufzugsmechanismus in das Chronographenkaliber einbaute. Durch die Verwendung eines relativ großen Federhauses sowie eines beidseitig aufziehenden Rotor gelangte man zu einer Gangreserve von mehr als 50 Stunden. Äußerst beeindruckend, wenn man bedenkt, dass damals bei Chronographen mit Handaufzug die Gangreserve meist lediglich 35 Stunden betrug!
Frühe Kritikpunkte
Jedoch wurde El Primero nicht nur positiv aufgenommen. So standen vor allem dessen Stärken – seine Komplexität und hohe Frequenz – in der Kritik. Das Grundwerk bestand immerhin aus 280 Einzelteilen – und dies war eine Herausforderung für Uhrmacher. Immerhin waren es etwa 100 Teile mehr als andere Chronographenwerke mit Automatikantrieb, die in den Jahren darauf folgten. Dies bedeutete, dass die Wartung eines solchen Werks besonderer Sorgfalt und Kenntnis bedurfte – und somit komplexer und kostspieliger war. Die hohe Frequenz rief, wie Neuerungen oft im Allgemeinen, Misstrauen hervor. Man fürchtete, dass das Öl durch die schnellen Bewegungen regelrecht weggeschleudert werden würde – und das Werk schnell ohne Schmierung arbeiten würde. Auf diesen Kritikpunkt ging man jedoch ein und entwickelte eine Trockenschmierung für das Werk, die auch alle Kritiker zufrieden stellte.
Ein weiterer Kritikpunkt war die ungewohnte Handhabung: Stellung der Zeit sowie Schnellstellung des Datums sind in ungewohnter Position zu finden. Zieht man die Krone, so verstellt man auf der ersten Einrastposition die Zeit und auf der zweiten findet sich die Schnellstellung des Datums – genau anders als gewohnt! Auch lief bei gezogener Krone der Sekundenzeiger einfach weiter, was eine genaue Einstellung der Zeit erschwerte.
Erste Erfolge und Verwendung in der Rolex Daytona
Doch all dieser Kritikpunkte zum Trotz – viele Uhrenmarken mussten sich auch eingestehen, dass dieses Werk die neuen Standards für Chronographen definierte. Daher setzten sie es in ihren eigenen Uhren ein. Zu diesen Marken zählten nicht nur Ebel, TAG Heuer, Panerai und später auch Parmigiani Fleurier, sondern auch Rolex. Dies ist ganz und gar untypisch für diese Marke. Doch man könnte sogar sagen, dass es damals ohne El Primero vielleicht keine Neuauflage der Rolex Daytona gegeben hätte. Im Jahr 1989 begann Rolex damit, das El Primero-Werk für die Daytona-Modelle zu verwenden. Hierfür modifizierte Rolex das Werk. Die größte Anpassung war zweifelsohne die Reduzierung der Schwingungsfrequenz auf 28.800 Halbschwingungen pro Stunde. Dies geschah, da man fürchtete, dass die hohe Frequenz dem Werk schaden würde. Zudem ließ man die Datumsanzeige weg und auch die Hemmungsgruppe passte man den Rolex-Standards an. Vermarktet wurde dieses dann unter dem Namen „Kaliber 4030“.
Auch wenn dieses Kaliber aufgrund der gezügelten Frequenz die Faszination vom El Primero nicht gänzlich wiedergab, so war dies der Anfang des Daytona-Hypes. Denn nun war der Chronograph mit einem hochwertigen Automatikwerk verfügbar. Dies machte ihn für viele Träger ungleich begehrter. Über 10 Jahre lang wurde die Daytona mit El Primero-Werk vertrieben – eben weil dieses Kaliber technisch gesehen den höchsten Standard aufwies. Erst zum neuen Jahrtausend wurde sie mit einem manufaktureigenen Automatikwerk präsentiert (Kaliber 4130). Zenith ist aber bis heute – zu Recht – stolz, dass sie lange eine der berühmtesten Uhren überhaupt mit einem Kaliber ausgestattet haben. Denn ein Kaliber kann wohl nicht mehr als durch einen Zukauf von Rolex geadelt werden.
Die Erfolgsgeschichte geht weiter
Und wie entwickelte sich El Primero weiter? Im Jahr 2017 stellte Zenith das neue Kaliber El Primero 9004 vor. Mit diesem Werk ist es möglich, nicht nur Zehntelsekunden, sondern Hundertstelsekunden zu stoppen. Solch eine Präzision ist üblicherweise nur bei Quarzuhren möglich! 2019 – zum 50. Geburtstag von El Primero – erwartete man einen großen Coup. Das Ergebnis war so beeindruckend wie enttäuschend. Zenith präsentierte eine Neuauflage, El Primero A386 Revival, in Weiß-, Rosé- und Gelbgold. Für diese rekonstruierte man das Originalwerk, brachte es jedoch auf den heutigen Stand. Die Garantie dieser Uhren ist übrigens auf 50 Jahre erweiterbar! So faszinierend diese Modelle auch waren, so blieb ein bitterer Beigeschmack: Für die breite Öffentlichkeit waren sie nicht wirklich verfügbar.
Doch mit etwas Verspätung wurden Uhrenliebhaber mehr als nur versöhnt, als Zenith El Primero 3600 vorstellte. Dieses wurde etwa in der Zenith Chronomaster Sport verbaut. Als diese auf den Markt kam, wurde sie sofort mit der Rolex Daytona verglichen – ja man meinte sogar, Zenith wolle auf diesen Hype aufspringen. Doch halt – Zenith war es, der diesen überhaupt ermöglichte – und natürlich ist man bis heute stolz darauf. Also ist es nur natürlich, dass man auf diesen Meilenstein der Firmengeschichte anspielt. Zudem ist die Chronomaster Sport viel mehr als eine Alternative zur Rolex Daytona – sie ist dieser technisch überlegen. Nicht nur beträgt die Frequenz wie üblich 36.000 Halbschwingungen pro Stunde. Das Uhrwerk kann Messungen auf die Zehntelsekunde genau ausführen und weist diese auf ganz neue Art aus.
Der zentrale Stoppsekundenzeiger des Chronographen benötigt für eine komplette Umdrehung nur 10 Sekunden – und dank der in 100 Schritte eingeteilten Skala auf der Lünette kann man diese auch einfach ablesen. Auf dem Totalisator ist auf der 3 eine durch diese Funktion notwendig gewordene 60-Sekunden-Anzeige zu finden. Gegenüber auf der 9 befindet sich, ganz klassisch, die permanente kleine Sekunde und auf der 6-Uhr-Position der 60-Minuten-Totalisator. Der Zeiger von diesem bewegt sich auch gleitend weiter und springt nicht von Minute zu Minute, wie es bei anderen Modellen der Fall ist.
Die technische Meisterleistung in der Entwicklung dieses Werks lag also darin, die Übersetzung so zu wählen, dass der Sekundenzeiger in 100 Schritten innerhalb von 10 Sekunden eine Drehung um 360 Grad bewältigt. Dafür mussten sämtliche Teile des Werks und auch die Formen der Zahnräder neu berechnet werden! Verstecken muss sich dieses Werk auch nicht. Durch einen Saphirglasboden sieht man das Kaliber, dessen optische Highlights das blaue Schaltrad sowie der offene Rotor mit dem Zenith-Stern sind. Wollen wir also wirklich den optischen Vergleich mit der Rolex Daytona bei diesem Modell in den Mittelpunkt stellen oder nicht lieber die perfektionierte und modernisierte Version von El Primero? Entscheiden Sie es für sich!
Fazit
Auch wenn für viele Uhrenliebhaber die Rolex Daytona der Gral zu sein scheint, sollten wir einen Blick auf die aktuellen El Primero Chronographen werfen. Diese sind nicht nur mit deutlich weniger Wartezeit erhältlich. Es gibt zudem Modelle mit eleganter wie auch sportlicher Optik – hier findet wirklich jeder seine Uhr. Abseits all der technischen Details, an deren Wissen man sich erfreuen kann, erhält man dasselbe faszinierende Trageerlebnis wie bei den ersten El Primero Modellen. Die hohe Frequenz führt nicht nur dazu, dass der Sekundenzeiger förmlich über das Zifferblatt gleitet. Hält man die Uhr ans Ohr, hört man das hastige Ticken des Werks. Hatte man erst einmal einen El Primero Chronographen am Handgelenk, ist es schwierig, diesen nicht auch in der eigenen Sammlung haben zu wollen – denn nur wenige Uhren bieten ein schöneres Trageerlebnis.