Wenn man sich die Uhrenbranche anschaut, drängt sich oft der Eindruck auf, sie sei in etwa so agil wie ein mittelgroßer Gletscher. Gefühlt dominieren dieselben Marken mit den ewig gleichen Modellen seit Jahrzehnten den Markt. Doch zum Glück täuscht dieser Eindruck. Allein in den letzten 20 Jahren sind unzählige neue Uhrenmarken auf dem Markt erschienen – und sie haben einiges zu bieten. Für uns Grund genug, einmal einen genaueren Blick auf einige dieser spannenden neuen Marken zu werfen.
Laurent Ferrier, MB&F und Greubel Forsey – zwischen High End und Kunstobjekt
Starten wir mit Laurent Ferrier. Die Marke wurde 2009 von Namensgeber Laurent Ferrier in Genf gegründet und stellte 2010 mit der Classic Tourbillon ihre erste Kreation vor. Mit großem Erfolg, denn die Uhr wurde im selben Jahr beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève als Beste Herrenuhr ausgezeichnet.
Ganz überraschend ist dies jedoch nicht, denn Ferrier ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Er stammt nicht nur aus einer alten Uhrmacherfamilie, sondern gehörte auch 30 Jahre lang zu den führenden Köpfen bei Patek Philippe. So war er es, der Gerald Géntas Designskizzen für die berühmte Nautilus in einen funktionsfähigen Prototypen verwandelte.
Bei dieser Vergangenheit verwundert es sicherlich niemanden, dass die Kreationen von Laurent Ferrier edles Understatement ausstrahlen. Die Uhren der Classic-Reihe sind etwa eine echte Alternative zu Calatrava, Datejust und Co. Und wenn Sie eine Luxussportuhr abseits ausgetretener Pfade suchen, sollten Sie sich unbedingt die Sport Auto bzw. Grand Sport Tourbillon genauer ansehen.
Bevor Robert Greubel und Stephen Forsey ihre Firma Greubel Forsey im Jahr 2004 aus der Taufe hoben, arbeiteten beide gut zehn Jahre bei dem Werkespezialisten Renaud & Papi. Die dort erworbenen Erfahrungen bei der Konzeption und dem Bau hoch komplizierter Uhrwerke fließen heute in die Entwicklung ihrer eigenen Uhren ein.
Eine Spezialität von Greubel Forsey sind vor allem Tourbillons. Hervorzuheben sind hier insbesondere das Tourbillon 24 Secondes Incliné sowie das Double Tourbillon 30°. Erstgenanntes besitzt einen Tourbillonkäfig, der eine um 25° geneigte Unruh beherbergt und für eine volle Umrundung 24 Sekunden benötigt. Die zweite Variante setzt dem noch einen drauf: Ganz seinem Namen entsprechend, handelt es sich um ein mit einer um 30° geneigten Unruh versehenes Minutentourbillon, das seinerseits in einem weiteren Tourbillonkäfig eingebettet ist. Letzterer benötigt vier Minuten für eine Umrundung.
Auf die Spitze treibt es Greubel Forsey mit Kreationen wie der GMT Quadruple Tourbillon & Balancier Contemporain. Diese Uhr verfügt nicht nur über eine GMT-Anzeige, bei der ein kleiner rotierender 3D-Globus zur Darstellung der zweiten Zeitzone dient. Sie ist zudem gleich mit zwei Double Tourbillon 30° ausgestattet, die über ein Differenzialgetriebe miteinander synchronisiert sind.
Maximilian Büsser sorgt mit seiner Marke MB&F (Maximilian Büsser & Friends) seit 2005 regelmäßig für Aufsehen. Büssers Konzept ist dabei absolut einmalig in der Uhrenwelt: Jede Kreation der Firma wird in Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Uhrmacher entwickelt, wobei die Uhrmacher völlige kreative Freiheit bei der Gestaltung ihrer Zeitmesser genießen.
Heraus kommen dabei so einzigartige Zeitmesser wie die an eine Bulldogge erinnernde Horological Machine No. 10 Bulldog, die von Straßenkreuzern der 1960er-Jahre inspirierte Horological Machine No.8 oder die futuristische Horological Machine No. 6, die in jedem Science Fiction-Film eine gute Figur abgeben würde.
Neben den Horological Machines bietet MB&F auch die etwas traditioneller anmutenden Legacy Machines an. Traditionell ist hier allerdings lediglich die runde Form der Gehäuse. Die Werke und Anzeigen sind hingegen genauso einmalig wie die der Horological Machines. Für besonders viel Aufmerksamkeit sorgten zuletzt die Legacy Machine Perpetual, die über einen neuartigen Mechanismus für den Ewigen Kalender verfügt, sowie der revolutionäre Doppelchronograph Legacy Machine Sequential EVO.
Die Idee zu MB&F kam Büsser in seiner Zeit als CEO von Harry Winston. Dort konzipierte er die Kollektion Opus, eine Reihe hoch komplizierter mechanischer Uhren. Auch hier setzte er auf die Expertise externer, unabhängiger Uhrmacher.
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20 Jahre Leidenschaft: Unsere beliebtesten Uhren auf Chrono24
HYT – junge Firma mit bewegter Vergangenheit
HYT ist 2012 angetreten, die Zeitanzeige mechanischer Uhren zu revolutionieren. Statt herkömmlicher Zeiger stellen Uhren von HYT die verstrichenen Stunden mittels einer Flüssigkeitsanzeige dar. Die Flüssigkeit wird dabei durch zwei gut sichtbare Faltenbälge, die den Uhren ihr charakteristisches Aussehen verleihen, in ein dünnes Röhrchen am Rand des Zifferblatts gepumpt.
HYT wurde schnell zum gefeierten Star der Uhrenszene und mit zahlreichen renommierten Preisen bedacht, darunter auch die Auszeichnung für die Beste Innovation des Grand Prix d’Horlogerie de Genève. Trotz des anfänglichen Erfolgs geriet das Unternehmen jedoch nach und nach in Schieflage und musste Ende 2020 Insolvenz anmelden.
Das bedeutete jedoch nicht das Ende von HYT. Mithilfe neuer Investoren wurde die Marke im Jahr 2022 wiederbelebt und hat die Produktion mittlerweile wieder aufgenommen.
Baltic und Christopher Ward – aufstrebende Micro Brands
Baltic und Christopher Ward sind zwei Vertreter der vielen Micro Brands, die den Markt in den letzten 20 Jahren mit ihren Uhren bereichert haben. Beide Marken konnten sich seit ihrer Gründung im Jahr 2016 (Baltic) bzw. 2005 (Christopher Ward) eine treue Fangemeinde erarbeiten. Ihr Rezept: qualitativ hochwertige Uhren zu bezahlbaren Preisen. Vor allem die in Frankreich beheimatete Marke Baltic setzen dabei auf Uhren im Retro-Design – von Taucheruhren über Dresswatches bis hin zu Chronographen ist alles dabei.
Die Uhren von Christopher Ward gehören dagegen eher in die Kategorie sportliche Toolwatches. Als Inspiration dienen auch hier häufig Vintage-Klassiker der 1950er- und 60er-Jahre, das Design der Uhren ist jedoch modern und eigenständig. Der Uhrenhersteller mit Firmensitz im englischen Maidenhead hat sich dank eines eigenen Uhrmacherateliers im Schweizer Biel zu einer echten Manufaktur entwickelt. So überraschte Christopher Ward die Uhrenwelt Anfang 2023 mit der Bel Canto C1, einer im eigenen Haus entwickelten Armbanduhr mit Minutenrepetition.
Czapek – wiederauferstanden
Neben den unzähligen neuen Marken, die die Uhrenlandschaft in den letzten 20 Jahren bereichert haben, wurden auch einige längst verloren geglaubte Namen wieder aus der Versenkung zurückgeholt. Ein besonders klangvoller Name ist dabei Czapek.
Czapek & Cie wurde 1845 von Franciszek Czapek, einem polnischen Immigranten, in Genf gegründet. Zuvor hatte er sich als Teil von Patek, Czapek & Cie als genialer Uhrmacher einen Namen gemacht. Während sich Antoni Patek nach dem Ende der Partnerschaft mit Adrien Philippe zusammentat und fortan unter dem Namen Patek Philippe Uhren anbot, stieg Czapek zum Hofuhrmacher der französischen Krone auf. Die Geschäfte florierten und er eröffnete eigene Läden in Paris und Warschau.
Im Jahr 1869 verliert sich die Spur von Czapek & Cie dann jedoch abrupt. Die Umstände sind bis heute unklar. Es wird vermutet, dass Czapek gestorben war, ohne einen Nachfolger zu hinterlassen und so geriet die Marke für mehr als 140 Jahre in Vergessenheit.
Erst im Jahr 2011 fassten Xavier de Roquemaurel, Harry Guhl und Sébastien Follonier den Entschluss, der Marke Czapek neues Leben einzuhauchen. Seither produziert die Firma hochwertige Luxusarmbanduhren, die den Geist des großen Franciszek Czapek atmen.
Fazit
Wie unsere kleine Auswahl an Marken und Herstellern zeigt, ist der Uhrenmarkt in den letzten 20 Jahren durch zahlreiche neue Player bereichert worden. Die Liste ließe sich auch noch beliebig fortsetzen und das ist eine gute Nachricht, denn sie beweist: Der Uhrenmarkt lebt!